Laute Zeiten oder Früher war es leiser

Befassen wir uns mit der Thematik des Hörens, so kommen wir an Begriffen wie Lärm und Krach nicht vorbei und es wird uns bewusst: Wir leben in lauten Zeiten. Früher war es leiser, doch wann war dieses „Früher“ und wann wurde es lauter?, fragt Schönwälder (2005) und beantwortet diese Frage wie folgt: „Lauter bis sehr laut wurde es schon im Mittelalter in den großen Städten. Laut war es natürlich auch im Krieg und das erst recht nach Nutzung des Schwarz- und Schießpulvers. Eine ganz deutliche Steigerung des Lärms setzte mit der industriellen Evolution ein“ (Schönwälder, 2005, S. 22).

In Bezug auf Lärm wird uns „eine Besonderheit des Hörsinnes, daß alle Geräusche praktisch ungehindert in das Ohr eindringen können“ (Marks, 1999, S. 29) zum Verhängnis.

Bei Lärm handelt es sich um unerwünschte, lästige, störende oder gar belastende Geräusche, welche jedoch nicht zwingend laut sein müssen. Auch das kontinuierliche Tropfen eines Wasserhahns kann als Lärm wahrgenommen werden (Schönwälder, 2005, S. 24). Allenfalls handelt es sich bei dem Wort Lärm um ein subjektives, da jeder Mensch Geräusche unterschiedlich empfindet (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit 2014, o.S.) und „(W)as dem einen störender Lärm ist (der ‚satte Sound‘ eines manipulierten Auspuffs, fröhliches Kindergekreisch oder eine aus voller Brust geschmetterte Opernarie), ist für den anderen ‚göttliche Musik‘“ (Marks, 1999, S. 10).

Sind Menschen Geräuschen, welche sie als Lärm empfinden, über einen längeren Zeitraum ausgesetzt, so verursacht dies Stress und kann zu lärmbedingten Gehörschäden wie Gehörstürzen, Schwerhörigkeit oder Tinnitus führen. Dauerhafter Lärm kann als Stressor die geistige Leistungsfähigkeit in negativer Weise beeinflussen, wobei sowohl die Spracherkennung als auch die Orientierung darunter leiden. Ferner können sich der Antrieb, die Gefühlslage und die Motivation, jener mit Lärm belasteten Personen, ins Negative verändern. Auf vegetativer Ebene kommt es zur Ausschüttung von Stresshormonen, zur Veränderung der Herzfrequenz und infolgedessen zur Steigerung des Blutdrucks. Auch die Atmung, der Hautwiderstand und die Muskelspannung verändern sich und es kann zu einer vermehrten Produktion an Magensäure kommen. Die langfristige Einwirkung von Lärm kann außerdem Bewegungen ungenau und unsicher werden lassen. Es ist also hinlänglich bekannt, dass längere Zeit andauernder Lärm sich mittel- und langfristig negativ auf den gesundheitlichen Zustand auswirkt. Unter der Einwirkung von Lärm ist weder an Entspannung und Erholung zu denken, noch sind Gespräche oder die Konzentration erfordernde Arbeiten möglich. Ferner sind Schlafstörungen zu erwarten (Marks, 1999, S. 19-32).

Wir möchten eine Geschichte an euch weitergeben, die uns vor Jahren ein junger Mann[1] erzählte. Es ist eine Geschichte, die sich mit der zerstörerischen Kraft des Lärms auseinandersetzt und all die eingangs beschriebenen Phänomene, die im Konnex von Lärm auftreten können, beinhaltet. Sie erzählt von einem garstigen, lärmenden Zauberer… aber hört bzw. lest selbst:

Von viel zu lauten Zauberern und knisternden Kartoffeln

Es war einmal ein Königreich, über das ein böser Zauberer herrschte. Das Schloss des Zauberers thronte auf einem hohen Berg, von dem aus er das ganze Königreich überblicken konnte. Der Zauberer informierte die Bewohner seines Reiches über alles, das er als wichtig erachtete und er erachtete ziemlich vieles als wichtig. Mittels Lautsprecher, die an seinem Schloss angebracht waren und welche eine enorme Reichweite hatten, beschallte er seine Untertanen. Über diese Lautsprecher versorgte er sein Volk einerseits mit Informationen, andererseits gab er auch Anweisungen, was seine Untertanen zu tun hatten.

Zu Beginn fanden die Bewohner*innen des Reiches die Beschallung noch lustig, interessant und hörenswert, auch folgten sie den Anweisungen und gehorchten den Befehlen des Zauberers. Mit der Zeit jedoch verloren sie das Interesse, was dem Zauberer so gar nicht gefiel. Auch hörten sie auf, die Befehle des Zauberers zu befolgen, was ihm noch saurer aufstieß. Aus Trotz stellte der Zauberer seine Lautsprecher auf die höchste Stufe und machte seinen Untertanen das Leben schwer, indem er sie mit allen möglichen Geräuschen, Geschrei und lauter Musik beschallte. Tag für Tag und Nacht für Nacht tat das der Zauberer und tyrannisierte auf diese Weise seine Untertanen, denn zu überhören war all das freilich nicht. Niemand konnte sich mehr mit dem anderen unterhalten, denn man verstand sein eigenes Wort nicht, geschweige denn das seines Gegenübers. In der Nacht konnten die Bewohner*innen des Königreiches nicht schlafen. Da nützte es auch nichts, sich die Pölster und Bettdecken über die Köpfe zu ziehen. Ja, selbst die besten Ohrstöpsel halfen nicht gegen den Lärm.

So kam es, dass die Bewohner*innen des Reiches aufgrund des Lärms und ob des Schlafmangels zusehends müder und unkonzentrierter wurden. Im Halbschlaf wandelten sie umher und unausgeschlafen unterliefen ihnen allerlei Fehler. Die Bäuerinnen und Bauern schleppten sich morgens aus ihren Betten und begannen ihre Kühe an den Hörnern zu melken. Sie waren so müde, dass sie gar nicht bemerkten, dass aus den Hörnern ihrer Kühe keine Milch kam. Die leeren Milcheimer und -kannen stellten sie dann an den ungewöhnlichsten Stellen ab und diese standen überall im Dorf herum, sodass andere unausgeschlafene Dorfbewohner und -bewohnerinnen darüber stolperten. Das Korn hatten die meisten dauermüden Leute vergessen auszusäen und jene, die es ausgesät hatten, hatten vergessen, es zu gießen. Abgesehen von den Kartoffeln, die ohnehin nicht viel Pflege brauchen und vor der Zeit des Lärmes gepflanzt worden waren, würde in diesem Jahr die Ernte schlecht ausfallen.

Selbst der Hufschmied beschlug die Pferde mehr schlafend als wach und so kam es, dass die Hufeisen zumeist verkehrt herum angebracht waren.

Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, wie es all den anderen Berufsgruppen des Königreiches mit ihrer Arbeit erging. Unkonzentriert und im Halbschlaf verkehrt geschneiderte Kleider passten niemandem, ebensolche Schuhe umso weniger und bald waren sich alle einig: Etwas musste geschehen. So konnte es nicht weitergehen. Die Leute sehnten sich nach Stille. Es musste endlich Ruhe einkehren.

In ihrer Verzweiflung wandten sich die Bewohner*innen des laut beschallten Königreichs an den mächtigen Zauberer des benachbarten Reiches. Er war ein noch größerer Zauberer und sollte Rat wissen. „Wir werden euren Zauberer verbannen, sodass er euch nicht mehr durch seinen Lärm tyrannisieren kann“, versprach der große Zauberer aus dem benachbarten Königreich. „Gebt mir, was in eurem Königreich noch wächst“, befahl er den Untertanen des lauten Zauberers. Aber alles, was sie ihm bringen konnten, waren ein paar Säcke Kartoffeln. So kam es, dass der große Zauberer den lärmenden Zauberer mit einem Verkleinerungszauber in eine Kartoffel verbannte. Weil jener laute Zauberer aber zu einem winzigen Zauberer geworden war, war der Lärm, den er ab diesem Zeitpunkt machte, bloß noch als Knistern zu hören. Die knisternden Kartoffeln des Königreichs wurden deshalb innerhalb kürzester Zeit ein absoluter Verkaufsschlager und das Volk musste nie mehr Hunger leiden, denn seither schimpft und wütet der laute Zauberer nach wie vor in so mancher Kartoffel. Ihr werdet es nicht glauben, aber wenn ihr ganz still seid und sehr genau hinhört, so könnt ihr den lauten Zauberer manchmal noch heute in Kartoffeln lärmen, schimpfen und lamentieren hören. Nur, dass es aufgrund seiner geschrumpften Körpergröße, bloß noch als Knistern zu vernehmen ist.

Der Versuch zur Geschichte

Was es mit dieser mysteriös knisternden Kartoffel wahrlich auf sich hat, soll an dieser Stelle geklärt werden:

Nun, der laute Zauberer wurde in die Kartoffel verbannt und ist hier in Form eines kleinen Zinknagels zu sehen.

Die Kombination eines Zinknagels und einer Kupfermünze (z. B. eine 1, 2 oder 5 Cent-Münze) und dem Saft einer Kartoffel ermöglicht eine chemische Reaktion bzw. einen chemischen Prozess. Der Kartoffelsaft fungiert als Elektrolytlösung, welche Strom leiten kann.  Das „unedlere“ der beiden Metalle beginnt sich aufzulösen (Korrosion) und dessen Atome gehen als positive Ionen in die Lösung über. Dem „edleren“ Metall werden durch die Elektrolytlösung Elektronen entzogen, was dazu führt, dass dieses Metall positiv geladen wird. Die unterschiedlichen Ladungen von edlerem und unedlerem Metall erzeugen Spannung, die messbar ist. Wir haben nun mithilfe einer Kartoffel und zwei unterschiedlichen Metallen eine galvanische Zelle erschaffen – eine Batterie. Durch die Verbindung mit dem Stecker des Kopfhörers schließen wir den Stromkreis – der Strom beginnt zu fließen. Die sensitive Membran, welche sich im Kopfhörer befindet, gerät in Schwingung und fungiert als Lautsprecher. Auf diese Weise wird der fließende Strom als Knistern hörbar. Achtung: Die Kartoffel ist nach diesem Versuch nicht mehr genießbar, denn sie enthält nun Metall-Ionen (Joachim Herz Stiftung, 2021).

Ein bunter Comic-Streifen. Das erste Bild zeigt die Umrisse zweier Zauberer mit Zauberhut und Zauberstab. Das zweite zeigt eine Kartoffel, in die die Zauberer hineinfliegen. Dabei lachen sie. Im Hintergrund stehen weitere Kartoffelsäcke. Das dritte Bild zeigt eine mit einem Messer halbierte Kartoffel. Im vierten Bild wurde in eine Hälfte eine Münze und ein Nagel gesteckt. Das Steckerende eines Kopfhörers wird an den Nagel gehalten.
Abb. 1:  Hokuspokus Zaubernokus (Bartl, K., 2022)

Literatur

  • Bartl, K. (2022). Hokuspokus Zaubernokus [Comic].
  • Marks, S. (1999). Es ist zu laut. Ein Sachbuch über Lärm und Stille. Fischer Taschenbuch Verlag.
  • Schönwälder, H.-G. (2005). Lärm und Stress in der Schule. Ursachen – Folgen – Reaktionsmöglichkeiten. Schulmanagement Handbuch (Bd. 113). Oldenbourg Schulbuch Verlag

Internetquellen

[1]   Eine Geschichte von Paul Henzinger, nacherzählt von Patrizia Bartl. Es handelt sich um die Geschichte zu einem Versuch.

Patrizia Bartl

Ich arbeite als Dozentin an der Pädagogischen Hochschule am Institut für Elementar- und Primar­pädagogik.

Dort beschäftige ich mich unter anderem mit theorie­basiertem aber praxisnahem und projekt­orientiertem Lernen.

Es ist mir ein Anliegen, dass sowohl Kinder als auch Studierende Dinge ausprobieren dürfen und Fehlermachen zum Lernen dazugehört.

Christoph Rameshan

Ich arbeite an der Montanuniversität Leoben als Leiter des Lehrstuhls für Physikalische Chemie.

Dort beschäftige ich mich auch mit der Entwicklung von Katalysatoren zur CO2-Umwandlung und bringe dem wissenschaftlichen Nachwuchs dieses Forschungsfeld näher.

Es ist mir ein Anliegen, dass selbst universitäre Lehre immer einen starken Praxisbezug hat.